Praxistipp aus Landesrundschreiben Ausgabe 5/2012, Seite 6
Mit „echten“ Notfällen sind Vertragsärzte nur selten konfrontiert. Deshalb ist eine gute Vorbereitung für den Fall der Fälle das A und O. Ein auf die Praxis zugeschnittenes Notfallkonzept, klare Zuständigkeiten und hin und wieder Trainings helfen, für den Ernstfall gerüstet zu sein.
Ein Mitarbeiter erkennt: Wir haben einen Notfallpatienten! Allgemeine Aufregung! Alle laufen durcheinander. Der Patient wird hektisch aufgefordert, ganz ruhig zu bleiben. Nachdem der Arzt von der dritten MFA informiert wurde, vermutet er, dass es sich tatsächlich um einen Notfall handelt. Das gesamte Personal der Praxis versammelt sich um den Patienten. Der Arzt verlangt den Notfallkoffer. Verweifelte Blicke vom Team – wo ist er nur? Alle MFA suchen ihn. Der Arzt bleibt allein mit dem Patienten. Der Notfallkoffer wird gebracht, geöffnet und im allgemeinen Durcheinander in langen Minuten die gewünschten Materialien gesucht und vielleicht auch gefunden... Und so geht es weiter, bis jemand im Team den rettenden Einfall hat, den Rettungsdienst zu verständigen, dem bei seiner Ankunft von einem zufällig anwesenden Patienten die Tür und der Weg gewiesen wird.
Zum Glück sind „echte“ Notfälle selten in einer Vertragsarztpraxis. Gerade deshalb ist eine gute Vorbereitung wichtig, um im Ernstfall einen kühlen Kopf zu bewahren. Was gehört dazu?
Zunächst einmal geht es darum, einen Notfall zu erkennen. Im Team sollten die wichtigsten allgemeinen und auch spezielle Erkennungsmerkmale durchgesprochen werden. Die Liste möglicher Notfälle und die Anzeichen sehen in einer chirurgischen Praxis ganz anders aus als zum Beispiel in einer Kinderarztpraxis. Gerade deshalb ist es wichtig, miteinander festzulegen, was ein „Notfall“ ist und welche Anzeichen darauf hindeuten. Für einen telefonischen Kontakt mit Patient oder deren Angehörigen kann es sinnvoll sein, für die MFA am Telefon eine Fragenliste zu erstellen.
Bei der kleinen Geschichte am Anfang wurde der Notfall erkannt. Sogar von mehreren Mitarbeitern. Dann aber versagte das System, denn keiner wusste, was er zu tun hatte. Für ein funktionierendes Notfallmanagement ist also die eindeutige Klärung der Aufgaben im Notfall wichtig, insbesondere:
In großen Praxen mit mehreren Mitarbeitern können die Aufgaben sinnvoll auf mehrere Köpfe verteilt werden. Z.B. ist eine Regelung nach Funktionsbereichen denkbar, die auch für den Vertretungsfall gilt. In kleineren Praxen mit nur wenigen anwesenden MFA wird die Aufgabenverteilung eher zwischen intern (beim Patienten) und extern (Kommunikation, Praxis) geregelt werden müssen.
Jetzt hätten die MFA in unserer Geschichte zwar gewusst, was sie zu tun gehabt hätten. Doch hätten sie nun den Notfallkoffer gefunden und über dessen Ausstattung gerätselt. Das führt zu weiteren notwendigen Vorbereitungen im Team:
Es ist praxisindividuell festzulegen, was in den Notfallkoffer gehört, wer ihn regelmäßig wartet und wo er für den Notfall aufbewahrt wird. Ausstattungslisten können bei der Auswahl hilfreich sein, ersetzen aber nicht die eigenen Überlegungen. Denn gerade im Hinblick auf Medikamente oder auch technische Geräte (Sauerstoffflaschen, Defibrillator) sollte darauf geachtet werden, dass nur diejenigen Materialien enthalten sind, mit denen Arzt und Personal in der Anwendung vertraut sind.
In diesem Zusammenhang wird häufig gefragt, ob jede Praxis einen Defibrillator vorhalten muss und ob es dazu Vorschriften gibt: Eine generelle Verpflichtung gibt es nicht. Eine Arztpraxis wird einen Defibrillator aber dann vorhalten müssen bzw. wird sich bei Nichtvorhalten haftungsrechtlich verantworten müssen, wenn die Gefahr des plötzlichen Herztodes erhöht ist und ein Defibrillator zum Standard im Rahmen des geleisteten Behandlungsspektrums gehört (s.a. MedR 2006 Heft 6 S. 320ff).
Sofern ein Defibrillator vorhanden ist, müssen alle Teammitglieder in der Handhabung geschult sein.
Damit kommen wir zum (vor)letzten Punkt. Notfälle sind zum Glück selten und damit dennoch alles „glatt“ läuft, bedarf es regelmäßiger Übung. Am Besten übt das gesamte Team in der eigenen Praxis, und das nicht nur einmal, sondern in regelmäßigen Abständen. Hilfsorganisationen wie ASB und DRK können bei Bedarf angesprochen werden (und bringen eine Übungspuppe mit).
… Und was passiert nach einem Notfall? Ein Gespräch nach Abschluss der Sprechstunde zwischen Arzt und allen beteiligten Mitarbeitern kann bei der „Nachbearbeitung“ helfen:
Das Team aus unserer Geschichte hat wieder einen Notfall. Und was passiert jetzt? Eine MFA erkennt den Notfall und weist eine Kollegin an, umgehend den Arzt zu informieren und dann den Notfallkoffer zu holen. Arzt und Notfallkoffer treffen beim Patienten ein, bei dem die Vitalfunktionen überprüft und dokumentiert werden. Eine MFA bereitet alles für den venösen Zugang vor, eine andere legt Intubationsutensilien bereit. Im Hinblick auf ein mögliches Kammerflimmern lässt sich der Arzt einen Defibrillator bringen. Eine MFA informiert den Rettungsdienst. Eine andere MFA verabreicht dem Patienten unterdessen Sauerstoff, der Arzt legt den venösen Zugang. Die zweite MFA hat die Szenerie mittlerweile mit dem funktionstüchtigen Defibrillator erreicht und bereitet ihn vor. Dem eintreffenden Rettungsdienst wird ein stabiler, gut versorgter Patient übergeben.
Es geht nicht um eine vollständige Versorgung des Notfallpatienten in der Praxis. Arzt und MFA haben stattdessen die Aufgabe, im Falle eines Notfalles den Patienten zu stabilisieren und auf die Weiterbehandlung durch den Notarzt vorzubereiten.