Gesundheitsministerium legt neue TI-Pauschalen für Praxen fest

Das Bundesgesundheitsministerium hat die neuen TI-Pauschalen per Verordnung festgelegt. Sie gelten bereits ab 1. Juli, eine Übergangsregelung gibt es nicht. Praxen erhalten danach künftig monatlich eine Pauschale, die laut Ministerium die Ausstattungs- und Betriebskosten der Telematikinfrastruktur ausgleichen soll.

Die neue Finanzierungsregelung ist erst in der letzten Juni-Woche bekannt geworden. Nach der nun vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) festgelegten Ersatzvornahme erhalten Praxen ab Juli monatlich eine Pauschale, die sich aus der Summe der laufenden Betriebskosten und der anteiligen Investitionskosten pro Monat (bezogen auf fünf Jahre) berechnet.

Die Höhe der Pauschale ist dabei von der Praxisgröße abhängig. So erhält eine Praxis mit zwei Ärzten, deren Erstausstattung vor 2021 erfolgte und die den Konnektor noch nicht getauscht hat, beispielsweise eine monatliche Pauschale von 237,78 Euro. Bei mehr als drei Ärzten sind es 282,78 Euro und bei mehr als sechs Ärzten 323,90 Euro. Wurde der Konnektor aufgrund abgelaufener Sicherheitszertifikate bereits getauscht und von den Krankenkassen finanziert, fällt die Pauschale geringer aus.

Voraussetzung für den Erhalt der TI-Pauschale ist, dass die technischen Voraussetzungen für die Nutzung aller gesetzlich geforderten Anwendungen in der Praxis vorliegen. Solche Anwendungen sind beispielsweise das Notfalldatenmanagement, die elektronische Patientenakte und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Fehlt eine der vorgegebenen Anwendungen, wird die Pauschale um 50 Prozent gekürzt. Bei mindestens zwei fehlenden Anwendungen wird nach den Vorgaben des BMG keine Pauschale gezahlt. 

Die Auszahlung der Pauschalen erfolgt weiterhin über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Praxen haben dabei vor der ersten Zahlung gegenüber ihrer KV die funktionsfähige Ausstattung mit den erforderlichen Anwendungen, Komponenten und Diensten nachzuweisen, so die BMG-Vorgabe. Der Nachweis könne in Form einer Eigenerklärung erfolgen. Verfahren, Form und Inhalt der Eigenerklärung werden in Kürze bekanntgemacht. 

 


 

Übersicht: Monatliche TI-Pauschalen ab 1. Juli 2023

TI-Pauschale 1, Bedingungen: 

  • Noch keine Erstausstattung oder Erstausstattung erfolgte bereits vor dem 1. Januar 2021
  • Konnektor wurde noch nicht getauscht oder Tausch erfolgte bereits vor dem 1. Januar 2021 
  • Alle Anwendungen installiert
Anzahl der Vertragsärzte /-psychotherapeuten in der Praxis  Höhe der Pauschale Reduzierung der TI-Pauschale auf 50 Prozent, wenn eine Anwendung fehlt*
bis zu 3 237,78 Euro 118,89 Euro
mehr als 3 bis zu 6 282,78 Euro 141,39 Euro
mehr als 6 323,90 Euro 161,95 Euro

 

TI-Pauschale 2, Bedingungen:

  • Erstausstattung nach dem 31. Dezember 2020 
  • Alle Anwendungen installiert
  • Die Pauschale wird für 30 Monate nach der Erstausstattung reduziert – ab dem 31. Monat erhalten die Praxen die TI-Pauschale 1.
Anzahl der Vertragsärzte /-psychotherapeuten in der Praxis  Höhe der Pauschale Reduzierung der TI-Pauschale auf 50 Prozent, wenn eine Anwendung fehlt*
bis zu 3 131,67 Euro 65,84 Euro
mehr als 3 bis zu 6 143,29 Euro 71,65 Euro
mehr als 6 151,04 Euro 75,52 Euro

 

TI-Pauschale 3, Bedingungen: 

  • Konnektortausch nach dem 31. Dezember 2020 
  • Alle Anwendungen installiert 
  • Die Pauschale wird für 30 Monate nach dem Konnektortausch reduziert – ab dem 31. Monat erhalten die Praxen die TI-Pauschale 1.
     
Anzahl der Vertragsärzte /-psychotherapeuten in der Praxis  Höhe der Pauschale Reduzierung der TI-Pauschale auf 50 Prozent, wenn eine Anwendung fehlt*
bis zu 3 199,45 Euro 99,73 Euro
mehr als 3 bis zu 6 242,78 Euro 121,39 Euro
mehr als 6 282,23 Euro 141,12 Euro

 

* Wenn mehr als eine Anwendung fehlt, wird keine Pauschale gezahlt.

 


 

Voraussetzungen

Voraussetzung für den Erhalt der TI-Pauschale ist laut BMG-Verordnung der Nachweis durch die Vertragsarztpraxis, dass sie die folgenden Anwendungen in der jeweils aktuellen Version unterstützt:

  • Notfalldatenmanagement (NFDM) / elektronischer Medikationsplan (eMP)
  • elektronische Patientenakte (ePA)
  • Kommunikation im Medizinwesen (KIM)
  • elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)
  • elektronischer Arztbrief (eArztbrief)
  • ab dem 1. Januar 2024: elektronische Verordnungen

Voraussetzung für den Erhalt der TI-Pauschale ist laut BMG-Verordnung außerdem die Ausstattung mit den folgenden Komponenten und Diensten:

  • Konnektor inkl. gSMC-K und VPN-Zugangsdienst, ggf. in Rechenzentrum gehostet, sofern dort zugelassene Komponenten und Dienste zum Einsatz kommen, oder TI-Gateway in Verbindung mit Nutzung eines Rechenzentrum-Konnektors
  • eHealth-Kartenterminal(s) inkl. gSMC-KT
  • HBA Smartcard oder eID für Ärzte mit gematik-Zulassung
  • SMC-B Smartcard oder SM-B oder eID für Vertragsarztarztpraxen mit gematik-Zulassung
     


Hintergrund und Kritik

Die Umstellung der Finanzierung von Einmalpauschalen bei Anschaffung von TI-Komponenten mit laufenden Betriebskosten auf monatliche Pauschalen wurde mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz veranlasst. KBV und GKV-Spitzenverband sollten die Höhe der neuen Pauschalen sowie weitere Details festlegen. Anfang April waren die Verhandlungen gescheitert. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) war nun gesetzlich gefordert, in Form einer Ersatzvornahme die neue Regelung festzulegen. 

Die Festlegungen werden von der KBV und den Kassenärztlichen Vereinigungen stark kritisiert. „Nicht nur, dass wir kaum Zeit haben, die Festlegungen, die ja ab 1. Juli bereits gelten sollen, zu bewerten. Es gibt auch keine Übergangsfristen für die Umsetzung“, beklagen die Bremer KV-Vorstände Dr. Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans. 

Durch überproportional hohe Kürzungen der Pauschalen beim Fehlen einzelner Anwendungen werden „Sanktionen durch die Hintertür eingeführt“. Damit breche Gesundheitsminister Karl Lauterbach erneut sein Versprechen, nicht mit Drohungen und Sanktionen arbeiten zu wollen. „Und wieder einmal müssen die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen erst in Vorleistung gehen, indem sie die Komponenten zunächst auf eigene Rechnung kaufen und dann darauf hoffen müssen, dass sie innerhalb von fünf Jahren die Kosten erstattet bekommen“, so die KV-Vorstände.

Besonders perfide ist dieses Vorgehen bezogen auf die Psychologischen Psychotherapeuten, die einige der Anwendungen gar nicht einsetzen dürften. Hier bedürfe es dringend einer Regelung. Bislang sind nur Ausnahmen für Fachgruppen ohne regelhaften direkten Patientenkontakt vorgesehen. 

Laut BMG orientiert sich die Gesamtsumme der Ausgaben für die neue TI-Pauschale „an den Kosten gemäß der bisherigen Finanzierungsvereinbarungen, sodass einer Arztpraxis im Regelfall weiterhin alle Kosten des Anschlusses und des Betriebes der Telematikinfrastruktur erstattet werden.“ Zudem seien jährlich zum 1. Januar Anpassungen vorgesehen in Höhe der prozentualen Steigerung des Orientierungswertes für EBM-Leistungen. 
 

 

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