„Während der Zeit der Coronamaßnahmen erschien ein Patient (Ende 50, ehemaliger Bodybuilder und Boxer) mit seiner Frau in einem Gehwagen in der Praxis. Der Patient war schon Jahre zuvor (seinerzeit im Rollstuhl) einmalig in der Praxis gewesen und hatte sich lautstark darüber beschwert, dass ich ihm keine Potenzmittel auf ein Kassenrezept verschreiben durfte. Wir baten die Frau, sich während der Wartezeit außerhalb der Praxisräumlichkeiten aufzuhalten, sie könne aber bei der Untersuchung dabei sein. Als ich ins Untersuchungszimmer kam, (...) verbot der Patient mir höchst aggressiv mit seiner Frau zu sprechen, er würde bestimmen, wie es hier „laufen solle”. Als ich ihm sagte, dass er mir kaum in meiner eigenen Praxis den Mund verbieten dürfte, eskalierte seine „Ansprache”. Ich teilte ihm mit, dass ich ihn nicht weiter behandeln würde, forderte ihn auf die Praxis zu verlassen und verließ den Untersuchungsraum. Völlig unvermittelt stürmte mir der angeblich gehbehinderte Patient (ohne seinen Gehwagen) nach und baute sich sich wenige Zentimeter mit erhobenen und geballten Fäusten vor mir auf. Ich forderte ihn auf zurückzutreten und umgehend die Praxis zu verlassen. Erst als ich mit der Polizei drohte (...) trat er zurück und sagte laut hörbar: „Ich habe Freunde bei der Russenmafia, die fackeln dir deine Praxis ab”. Ich habe daraufhin meine MFA angewiesen, die Polizei zu rufen. Bevor diese eintraf, hatte der Patient die Praxis schimpfend verlassen. Ich habe bei der Polizei Anzeige erstattet.”
Urologische Praxis Dr. Volker Braun, Bremen
„Meine MFA am Empfang bat einen Patienten wegen einer gesperrten Krankenversicherungskarte eine Ersatzbescheinigung zu besorgen. Daraufhin wurde der Patient laut, sodass ich aus meinem Sprechzimmer dazu kam. Der Patient drohte, er könne meiner Mitarbeiterin „eins auf die Schnauze hauen“. Daraufhin verwies ich den schreienden Patienten der Praxis. Er beschimpft mich daraufhin mit „Du Fotze, du Hure“ und schlug weiter von außen an die Fensterscheiben (...). Immer wieder kommt es zu Beschimpfungen durch Patienten, egal welchen Geschlechts oder welcher Nationalität. Die schönen und freundlichen Begegnungen überwiegen jedoch, auch wenn der Umgang insgesamt, so wie wir es auch in anderen Alltagssituationen erleben, ein rauer geworden.“
Arzt/Ärztin, Bremerhaven
„Tatsächlich wurde ich (MFA) mal an der Anmeldung bedroht. Ein Grund von vielen, warum ich der Praxis den Rücken gekehrt habe.“
MFA über Instagram
„Ein Patient verlangte, eine Dokumentenfälschung für ihn vorzunehmen. Für Behandlungen, die wir nicht gemacht haben, wollte er Stempel in sein Bonusheft – und beschimpft mich dann, weil ich es verweigert habe. Ich sei dumm und sollte endlich eine Ausbildung machen. Verbale Gewalt erfährt man mehrmals täglich als MFA. Deeskalationsversuche unsererseits scheitern häufig, weil das Aggressionsverhalten bei Patienten zunehmend steigt. Verbale Gewalt nimmt stetig zu und wird oft unterschätzt.“
Andrea, MFA, Bremen
„Eine Mutter und eine ältere Dame – wohl die Großmutter – kamen mit einem einjährigen Kind auf Überweisung zur Untersuchung. Das Kind sah „fit“ aus. Es stellte sich heraus, dass die Mutter nicht krankenversichert ist. Sie willigte zwar ein, die Behandlung privat zu zahlen, sagte dann aber, dass sie kein Geld dabei habe. Ich bat die Mutter, wiederzukommen, wenn sie Karte oder Geld hat – es handelt sich nicht um einen Notfall. Die Mutter rastet aus, beschimpft die mich mit den Worten: „Ich werde dich totmachen“, spukte und kniff, sodass ich blaue Flecken bekam. Mein Praxispersonal hatte den Vorfall mitbekommen, gemeinsam wurde die Angreiferin aus der Praxis gedrängt. Ich rief bei der Polizei an. Beim Eintreffen der Beamten stand die Mutter noch draußen vor der Praxis. Von der Polizei bekam die Frau dann eine „Gefährdungsansage“. Ich als Ärztin hatte selbst selten Personen, die gewalttägig sind – meine MFA und andere Ärzte der Praxis hingegen häufig. (...)”
Ärztin, Bremen
„Ein uns bekannter Patient war bereits in der Praxis des Öfteren ausfällig und ist zum Beispiel eine MFA persönlich angegangen. Allerdings muss man dazu sagen, dass der Mann psychisch krank ist. Kürzlich rief er sogar bei mir zu Hause ein paar Mal an – auch nachts – und sprach auf dem Anrufbeantworter verbale Drohungen aus. Bei einem Mal sagte er, dass er mich „eigentlich abstechen müsste“. Ich habe diesbezüglich die Polizei und Rechtsanwälte informiert. Letztere rieten mir jedoch von einer Anzeige ab, da diese in diesem konkreten Fall durch die psychische Erkrankung vermutlich eher zu einer Eskalation als Deeskalation führen würde.”
Arzt, Bremen
„Die Corona Zeit war das schlimmste was ich in 30 Jahren im MFA Job erlebt habe! Mittlerweile arbeite ich nicht mehr als MFA in einer Praxis. Beschimpfungen, ständiges Motzen, Beleidigungen und Drohungen waren an der Tagesordnung. Patienten sind frech, unverschämt und fordernd.”
MFA, Bremen
„Es gibt fast tägliche verbale Entgleisungen der Patienten gegenüber dem Personal, wenig Rücksichtnahme auf ältere gehbehinderten Patienten, trotz Angebot einer Notfallsprechstunde absolutes Unverständnis, dass der
Patient nicht sofort und ohne Wartezeit behandelt wird (echte augenärztliche Notfälle wie Verätzungen etc. sind hier nicht gemeint!). Es wird eine schlechten Beurteilung der Praxis im Internet angekündigt.”
Dr. Anne Heilshorn, Ärztin, Bremen
„Vor zwei Tagen tauchte ein Vater mit seinem fiebernden Kind in der Praxis auf, verlangte lautstark nach Bedienung und einem Antibiotikum, das ich zwei Tage zuvor nicht verordnet hatte, da es sich offensichtlich um einen Virusinfekt handelte. Er verlangte, von meiner Kollegin behandelt zu werden. Als ich selbst dann den Raum betrat, um das Kind zu untersuchen – und ihm beschied, er könne es sich nicht aussuchen, wenn er ohne Termin hier erschiene – protestierte er lautstark, trat er auf mich zu und schubste mich weg. (...) Lustiger Nebeneffekt: der Polizist, den ich gerufen hatte, erklärte mir dann, wenn es nicht weh getan habe, sei es keine Straftat. Er erlebe Schlimmeres in seinem Dienst.”
Annegret Kröhn-Wellhausen, Ärztin, Bremen
„Zwei türkische Frauen griffen unsere ebenfalls türkische MFA tätlich an, nach lautem Disput. Die Patienten-Familie war ohne Termin gekommen und sollte am nächsten Tag in der offenen Sprechstunde kommen. Die angerufene Polizei kam, als die Angreifer schon wieder weg waren. Unsere MFA ist wegen Körperverletzung krankgeschrieben. Eine Anzeige wurde aufgenommen. Das war das erste Mal in 31 Jahren Praxisbetrieb. Davor
waren meist nur verbale Attacken.“
Leonardo Duhalde, Arzt, Bremen
„Patienten beschimpfen inzwischen fast täglich unsere MFAs, wenn nicht sofort auf alle Wünsche, Extrawünsche und Forderungen eingegangen wird. Sie drohen sowohl verbal als auch schriftlich mit schlechten Google Bewertungen, Beschwerden oder Anzeigen beim Rechtsanwalt. Im Rahmen eines Gesprächs mit einem Patienten, um eine Situation zu klären, lies dieser heimlich sein Handy mitlaufen, um die Unterhaltung aufzuzeichnen, während er mich ununterbrochen beschimpfte. Generell werden Termine nicht eingehalten, die Patienten kommen wenn es Ihnen passt. Werden sie nicht drangenommen, werden MFAs beschimpft. Bei uns in der Praxis gab es vor zwei Jahren eine abgerissene Türklinke, nachdem einem Patienten der Arm, der zur Blutentnahme genutzt wurde, nicht gefiel. Zudem hatten wir eine eingetretene Scheibe, weil wir im Rahmen der Mittagspause die Tür nicht geöffnet haben. Unsere MFAs werden mindestens einmal täglich als inkompetent beschimpft, wenn ein Patient meint, er wüsste was zu tun sein und würde entscheiden was er zu bekommen hat. Werden diese Wünsche dann nicht erfüllt, werden sofort aggressive Verhaltensweisen an den Tag gelegt, um dem gewünschten Ziel doch noch näher zu bekommen. MFAs wird zunehmend weniger geglaubt und sie fühlen sich zunehmend nicht ernst genommen. Es gibt Tage, da haben unsere MFAs Angst in die Praxis zu gehen, da sie befürchten müssen wieder in verbale Auseinandersetzungen zu geraten. Auch ich habe zunehmend das Gefühl nur noch Wunscherfüller zu sein, und wird dieses nicht durchgeführt, werde auch ich persönlich beschimpft. Ich bin seit 17 Jahren hausärztlich niedergelassen und denke vermehrt über eine Alternative zu diesem Beruf nach, um mich nicht mehr im Praxisalltag rumärgern zu müssen. Der Ärger mit den Patienten raubt einem wahnsinnig viel Kraft und wird parallel dazu dann nicht adäquat vergütet. Zunehmend habe ich auch den Eindruck, dass der Respekt vor Frauen – egal ob Ärztin oder MFA – schwindet. Ich bin mit meinem Mann in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassen und er wird so gut wie nie beschimpft, oder seine Kompetenz in Frage gestellt.
Wir haben dieses Jahr bereits mehreren Patienten Hausverbot erteilt und sie der Praxis verwiesen. (...)“
Julia Schierenbeck, Ärztin, Bremerhaven
Weiterführende Informationen im Landesrundschreiben Juli 2024