MFA-Umfrage: Im Ringen um Fachkräfte haben Praxen häufig das Nachsehen

Ein Jahr nach der ersten Umfrage hat die KV Bremen ihre Mitglieder ein weiteres Mal zur Arbeitsmarktsituation von MFA befragt. Es wird nicht besser. Im Gegenteil. In Konkurrenz um Fachkräfte haben Praxen häufig finanziell das Nachsehen gegenüber Krankenhäusern, Krankenkassen, Gesundheitsbehörden und anderen Arbeitgebern.

Ergebnisse der Umfrage

  • In knapp der Hälfte der befragten Praxen werden MFA bereits übertariflich vergütet! (48,9 Prozent), die übrigen Praxen vergüten nach MFA-Tarif oder in Anlehnung an diesen.
  • Knapp ein Viertel der Befragten (24,7 Prozent), die MFA-Stellen ausgeschrieben haben, haben keine (!) freie MFA-Stelle in den letzten 12 Monaten besetzen können.
  • Fast die Hälfte der befragten Praxen gab an, dass ihnen schon MFA aktiv abgeworben wurden! (47,2 Prozent).
  • Praxen, die aktuell oder in den letzten 3 Jahren ausgebildet haben, zeigen – auch aus dem Fachkräftemangel heraus – eine sehr hohe Motivation auch zukünftig auszubilden! (92,6 Prozent)
  • Krankenhäuser können besser zahlen: Das ist für sehr viele Befragte (78,8 Prozent) ein Grund für die „Abwanderung“ von MFA.
  • Und das obwohl zwei von drei Befragten weitere Gehaltsanreize setzen (66,7 Prozent) bzw. es vorhaben (12,8 Prozent) und flexiblere Arbeitszeiten anbieten (70,6 Prozent) bzw. es vorhaben (8,9 Prozent).
  • Sollte sich die Situation nicht grundlegend ändern, könnte jeder Fünfte Befragte gezwungen sein, seinen Praxissitz aufzugeben. (21,1 Prozent).
  • Der anhaltende Fachkräftemangel wird sich auf die ambulante Versorgung auswirken: Eine deutliche Mehrheit der Befragten gibt an, dass sie Patienten auf längere Wartezeiten einstellen müssen (75,6 Prozent) bzw. die Praxen der Befragten ihr Angebot herunterfahren (72,2 Prozent).
  • Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte/Psychotherapeuten müssen bereits jetzt selbst anderweitig nicht erledigte MFA-Tätigkeiten übernehmen (57,8 Prozent).

Insgesamt haben im Untersuchungszeitraum 228 Mitglieder der KV Bremen teilgenommen. Damit beläuft sich die Rücklaufquote auf zirka 11,4 Prozent. 188 haben den Fragebogen abgeschlossen. Im Vorjahrt war die Teilnahme etwas höher (MFA-Umfrage 2022).

Der Erhebungszeitraum war vom 13. Juni bis 4. Juli 2023. Die Umfrage wurde vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) ausgewertet.

Ergebnisse der MFA-Umfrage 2023 (pdf)

 

Meinungsbild aus der Praxis

„Meine fertig ausgebildete MFA wurde abgeworben. Eine neue Bewerberin zur Ausbildung wurde angenommen. Aber wir bilden nicht 3 Jahre aus, um dann die MFA abzugeben. Somit lohnt sich Ausbildung nicht für die Praxis. Die Betreuung des Ausbilders durch Schule oder Kammer ist schlecht, eher gar nicht vorhanden.“

„[Es ist ] sehr frustrierend, wenn man viel Zeit und Engagement in die Ausbildung legt und kaum, dass das Examen vollzogen ist, die frisch gebackenen MFAs von diversen Stellen (Krankenkassen, Pflegedienste, Krankenhäusern, MVZs etc) wegen besserer Verdienstmöglichkeiten abgeworben werden. Die [...] Praxishonorare spiegeln in keiner Weise die deutlich angestiegenen Gehaltswünsche der jungen MFAs wider. Zahlt die Praxis höhere Gehälter, bleibt für den Arzt/die Ärztin trotz steigendem Arbeitseinsatz weniger über. Irgendwann verliert sich hier der Sinn.“

„Kernproblem des MFA-Mangels ist – neben der schlechten Verfügbarkeit von Personal – die begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Arbeitgeber, um die Arbeitsplätze in vielerlei Hinsicht attraktiv zu halten.

„Es bedarf dringend einer Nachsteuerung der Finanzierung des ambulanten Sektors. Es kann und darf nicht sein, dass sich alles nur um den stationären Sektor dreht, in den massiv Geld fließt. Wir nehmen nun seit Jahren Gewinnrückgänge hin. Das ist nicht akzeptabel bei vollem unternehmerischen Risiko, steigender Patientenzahl und -anspruch. Mit diesen Vorzeichen ist ein Rückgang der Zahl und der Qualität (!) Der ambulanten Versorgung unvermeidlich. Wer gut ist, sucht sich etwas anderes.“

„MFA werden nach wie vor in der Öffentlichkeit nicht als tragende Säule gesehen im Vergleich zu Krankenhauspersonal. Sie werden übelst beleidigt und ihre Kompetenzen täglich von Patienten in Frage gestellt. Sie werden bei der Bezahlung von Prämien (Coronabonus, Inflationsausgleichsprämie) nicht in gleichem Maße berücksichtigt wie Krankenschwestern und Pfleger.“

 

 

Gleichlange Spieße für Krankenhaus und Praxis

KV-Vorstand zur Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung

Die kontinuierliche Unterfinanzierung der ambulanten Medizin führt dazu, dass Praxisinhaber zunehmend Schwierigkeiten haben, MFA adäquat zu vergüten, sodass viele von ihnen von den durch staatliche Hilfen bevorzugten Krankenhäusern abgeworben werden. Die Anpassung des für die Vergütung der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Leistungen maßgebliche Orientierungswertes liegt nun bereits im 15. Jahr in Folge (!) unter der Inflationsrate ( „Eine Dekade Orientierungswert“, Landesrundschreiben März 2022, Seite 16 ff.) und hält spätestens mit den seit 2022 sprunghaft steigenden Kosten nicht mehr Schritt, welche den Praxen für die Versorgung ihrer Patienten für Personal, Miete, Energie, apparative Ausstattung, EDV etc. entstehen.

Es ist kaum zu ertragen, dass Politik und Krankenassen diesen Umstand ignorieren. Wir werden nicht müde, dies in die Öffentlichkeit zu tragen. Dabei hilft diese Umfrage sehr, denn jetzt sprechen nicht wir als Funktionäre, sondern Sie als Betroffene in Sorge um die Versorgung Ihrer Patienten! Sie haben klar und deutlich dargelegt, dass Sie trotz größter Anstrengungen und bester Absichten für Ihre Patienten das Nachsehen haben. 

Letzen Endes wird das Wegducken der politisch Verantwortlichen zum Bumerang. Ohne MFA in den Praxen werden die Praxisinhaber gezwungen sein, ihr Angebot herunterzufahren oder ihre Praxen für Stunden, Tage oder sogar dauerhaft zu schließen, wie diese Umfrage eindrucksvoll belegt. Die Versorgung kann unter solchen Umständen in der bisherigen Form kaum noch sichergestellt werden. 

Anstatt der sich unter der Inflation beschleunigenden Austrocknung der ambulanten Versorgung weiter zuzusehen, muss für deren finanzielle Zukunftssicherung ab sofort ein mit dem für Krankenhausbehandlungen vergleichbarer Kosten und Inflationsausgleich geschaffen werden. Sonst wird es das „ambulante Netz“ am Ende gar nicht mehr geben.

von Dr. Bernhard Rochell | KV Bremen | b.rochell@kvhb.de
und Peter Kurt Josenhans | KV Bremen | pk.josenhans@kvhb.de

 

Themenseite #PraxenKollaps

 

#Politik / Gremien